Die Kröte die mit den Ohren liest


13. Dezember

Es gibt eine Vielzahl von Gründen warum Menschen nicht mehr wie gewohnt ein Buch oder eine Zeitung lesen können, obwohl sie es gerne würden. Viele Erkrankungen oder auch angeborene Behinderungen können dafür die Ursache sein. Damit diese Menschen trotzdem aktiv am Leben teilhaben können, gibt es die Hörzeitschriften und Hörbücher der atz Hörmedien und der westdeutschen Blindenbücherei in Münster. Ich hab mich für Euch dort mal umgesehen.

Bei meiner Ankunft in der Blindenbücherei oder auch der Westdeutschen Bibliothek der Hörmedien für blinde, seh- und lesebehinderte Menschen e.V. in Münster werde ich sehr herzlich vom Geschäftsführer Herr Kahle in Empfang genommen. In seinem Büro steht er mir Rede und Antwort, denn als älterwerdende Kröte interessiere ich mich natürlich sehr für dieses Thema. Ab Januar 2020 übernimmt die Bibliothek den Verein atz Hörmedien, in welchem Ehrenamtliche Zeitungen und Zeitschriften so aufbereiten, dass sie auch Menschen zugänglich werden die sie nicht mehr einfach am Kiosk nebenan kaufen können, sprich für Menschen denen das Lesen schwer oder gar nicht mehr möglich ist. Dafür werden ausgesuchte Presseberichte lokaler oder überregionaler Themen auf eine CD aufgesprochen und an die jeweiligen Abonnenten verschickt. Die atz     (Aktion Tonband – Zeitung für Blinde) gibt es seit 1976 und hatte bisher ihre Zentrale in Holzminden. Knapp 60 Zeitungen umfasst ihr Angebot von lokalen Tageszeitungen, bis hin zu Schwerpunktmagazinen wie dem Wartezimmer, Focus, Geo oder dem Küchenkarussell, eine Zeitung die mich als Feinschmecker natürlich sehr anspricht.

Die Ehrenamtlichen sind dabei meist in regionale Teams von bis zu 10 Personen eingeteilt, die sich die Arbeit an den Zeitschriften aufteilen. Eine Ausgabe umfasst ungefähr 90 bis 120 Minuten Sendezeit, was umgerechnet circa 15 Artikeln je nach deren Länge, entspricht. Dabei kann man sich als Ehrenamtlicher in 3 verschiedenen Bereichen einbringen. Neben dem Aufsprechen der Texte, kann man auch im redaktionellen Teil mitarbeiten, dort werden die Artikel für die nächste Ausgabe herausgesucht und aufbereitet. Oder aber in der Technik, denn jede Gruppe hat andere Aufnahmetechniken. Manche benutzen ein Diktiergerät, manche Aufnahmegeräte und wieder andere wählen ein Mikrofon direkt am PC um die Texte aufzusprechen, was laut Herr Kahle die beste Qualität liefert. Damit die wöchentlich oder monatlich erscheinenden Hörzeitungen auch immer rechtzeitig fertig werden können, ist eine funktionierende Technik von zentraler Bedeutung. Unabhängig davon welchen dieser Bereiche man in der Gruppe also wählt, jedes Mitglied nimmt eine wichtige Rolle ein ohne die es nicht möglich wäre, kontinuierlich und qualitativ so hochwertig die Zeitungen zu produzieren. Alle 2 Jahre treffen sich die rund 200 Ehrenamtlichen dann zu Fortbildungen und Austausch um ihre Technik und ihre Sprechqualitäten weiter zu verbessern. Das Schöne ist man braucht bis auf Zeit und die Fähigkeit zu Lesen keine besonderen Voraussetzungen um das Ehrenamt auszuführen, heißt sogar alte Kröten wie ich können noch mitwirken.

Und der Bedarf ist groß, gerade viele späterblindete Menschen die durch Erkrankungen wie zum Beispiel der Makuladegeneration ihre Fähigkeit zu Lesen verloren haben, abonnieren die Hörzeitungen oder leihen sich Hörbücher aus. Da immer mehr Menschen davon betroffen sind, die trotzdem teilnehmen möchten an den Geschehnissen um sie herum, werden auch immer Ehrenamtliche gesucht, die daran mitarbeiten, dass diese Menschen auf dem gleichen Informationsstand bleiben können wie lesende Personen. Zur Zeit zählt der Verein um die 4000 Abonnenten für welche durchschnittlich 70.000 CDs jährlich produziert und verschickt werden, dazu kommen noch die Ausleihen für Hörbücher der Hörbücherei. „Es bringt den Menschen viel Lebensqualität zurück und es ist schön zu hören wie positiv unsere Arbeit ist“, freut sich Herr Kahle, der mich durch die Räume der Hörbücherei führt. Es ist ein sehr interessanter Rundgang, der viel über die Geschichte der traditionsbewussten Bücherei aussagt. Überall stehen Tonbänder, Kassetten oder CDs, alle fein säuberlich archiviert wie in einem Museum – eine wirklich beeindruckende Menge, die davon zeugt wie viele Bücher hier lagern, darunter auch viele Bestseller wie Harry Potter oder die Bücher von Ken Follet. Vielleicht sollte ich meine vielen Bücher auch einmal aufsprechen um Platz für neue zu schaffen, da Tonträger ja weniger Platz im Regal verbrauchen als meine dicken Schmöckerle.  Was die Zeitungen angeht, gibt es noch viele nicht erfasste Städte in Deutschland, von denen keine lokale Ausgabe erscheint, da es dort noch kein Team an Ehrenamtlichen gibt. Wenn Ihr Euch also vorstellen könnt, Menschen die Nachrichten aus Eurer Stadt näher zu bringen, nichts wie an das Mikrofon. Schließlich wollen auch die vielen sehbehinderten oder blinden Menschen in Eurer Stadt mitreden können und up – to – date sein. Vielleicht habt Ihr ja ohnehin die Lokalzeitung bei Euch abonniert und bevor sie der Hund oder die Papiertonne frisst, könnt Ihr so noch etwas sinnvolles damit tun, nämlich interessante Artikel zu sammeln und einmal die Woche auf CD zu sprechen. Mittlerweile geht der Verein auch zunehmend mit der modernen Technik, sodass zusätzlich zu den CDs auch immer ein Link zum Download angeboten wird, welche sehr gerne genutzt wird von den Hörern. Ich für meinen Teil überlege schon, ob ich nicht die aktuelle Ausgabe der high - Fashion Krötennews aufsprechen soll mit meiner sonoren, klaren Krötenstimme mit dem gewissen Etwas. Das Schöne ist, es ist bereits für fast jeden Bereich etwas dabei und es wird mit Sicherheit noch mehr werden, damit kein Mensch auf die neusten Berichte der Royals, Landfrauen oder Politiker verzichten muss – den Lesen ist Bildung und Teilhabe, ob mit den Augen oder mit den Ohren und dafür braucht es kreative Köpfe, damit das Angebot noch lange Bestand haben wird!

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