Ich bin da, wenn niemand da ist

„Hier bin ich, Herr, du hast mich gerufen.“ (1.Samuel 3,5)

Heute beginne ich an diesem regnerischen 2. Advent meinen Blogbeitrag einmal ganz besinnlich, mit einem Psalm. Den habe ich nicht per Los gezogen, sondern ganz bewusst gewählt, denn er passt in zweierlei Hinsicht – zum Ehrenamt und dem Thema des Ehrenamts, dem Tod.

Was für ein düsteres Thema werdet ihr jetzt sicher denken, gerade in dieser Zeit, in der einem doch eh schon täglich die trüben Gedanken nachhängen. Nichtsdestotrotz gibt es auch in diesem Bereich sehr wertvolle Ehrenamtsaufgaben, die es verdient haben erwähnt zu werden und damit meine ich nicht die ehrenamtliche Palliativbegleitung, sondern die Begleitung die sich daran unmittelbar anschließt. Also quasi nach dem der Bus in Richtung Bahnhof unterwegs ist.

Zu diesen Ehrenämtern gehört zum einen der ehrenamtliche Trauerbegleiter. Diese speziell geschulten Männer und Frauen begleiten Angehörige in der schwersten Stunde ihres Lebens, führen bei Bedarf einen Wortgottesdienst in der Friedhofskapelle und begleiten die anschließende Beerdigung, wenn der Sarg oder die Urne in die Erde gelassen werden. Ihr müsst euch das in etwa so vorstellen wie die tränenreiche Verabschiedung am Bahnsteig bevor der Zug endgültig zum neuen Wohnort abfährt und man seine Liebsten für eine lange Zeit nicht mehr wiedersieht. Dann spendet so ein Trauerbegleiter Trost und gibt den Betroffenen Halt. Eine wichtige Rolle spielen dabei vor allem die Worte die er wählt, denn ein unbedachtes Wort kann schnell verletzend oder entwürdigend wirken. Nichts ist schlimmer, als wenn Nahestehende denken „Mensch, der faselt da irgendetwas von seinem Zettel ab ohne zu wissen von wem er da eigentlich redet, da hätte ich auch gleich Alexa fragen können.“ Daher ist es wichtig sich im Vorfeld bei den Angehörigen ein paar Informationen zu besorgen über den Menschen, der dort abfahrbereit vor einem liegt. Der Name und das Geschlecht sind dabei Mindestvoraussetzungen und ja ich finde, derjenige sollte auch standfest in seinem eigenen Glauben sein. Man möchte als Angehöriger alles hören aber keine planlosen Vermutungen. So etwas wie „möglicherweise bekommt er eine Wohnung von Gott“ oder so ähnlich sind absolut kontraproduktiv!!! Der Verstorbene ist nach seiner Abfahrt weder ohne Fahrkarte unterwegs noch obdachlos – bitte ich kann doch wenigstens erwarten, dass ein Trauerbegleiter klare Worte benutzt von wegen: „Er fährt Heim zu Gott, wo er ihm eine Wohnung gerichtet hat.“ Es muss ja nicht gleich eine Villa mit Oldtimer und Swimmingpool im Garten sein, aber das Leben nach dem Tod sollte schon gesichert sein, damit die Angehörigen ihn auch mit gutem Gewissen gehen lassen können!!!

Was aber wenn es gar keine Angehörigen zum Trösten gibt? Wenn der letzte Kontakt lange abgebrochen
ist und am Bahnsteig des Lebens niemand mehr mit Tränen zu meiner Abfahrt winkt? Auch dann gibt es ein sehr berührendes und sehr wichtiges Ehrenamt – als Trauergast! Aufgrund der steigenden Zahl an anonymen und einsamen Beerdigungen gibt es mittlerweile in mehreren Städten in Deutschland ehrenamtliche Damen und Herren, die anstelle der Angehörigen die Beerdigung gemeinsam mit einem Pfarrer begleiten. Obwohl man die Verstorbenen nicht kennt, ist es ein sehr emotionales Ehrenamt, zu wissen da geht jemand so ganz ohne Begleitung, ohne Anteilnahme. Niemand ist dort der um ihn weint, an ihn denkt oder sein Leben noch einmal Revue passieren lässt. Niemand der sich daran erinnert, was diesen Menschen da in der Erde so besonders gemacht hat, womit er einen zur Weißglut treiben konnte oder zum Lachen...

Wisst ihr ich kann Gedanken lesen – ihr denkt jetzt genau in diesem Moment, das betrifft sicher überwiegend Obdachlose oder Menschen die aus freien Stücken den Kontakt zu ihrer Familie abgebrochen haben. Ja das betrifft sie auch, aber nicht überwiegend. Tatsächlich finden die meisten einsamen Beerdigungen bei älteren Menschen statt, um die sich schon lange keine Angehörigen mehr gekümmert haben und da ihr Partner häufig auch schon aufgrund des Alters vor ihnen gegangen ist, müssen sie die Reise allein bestreiten, bevor sie wieder vereint sind. Da tut es gut, wenn ehrenamtliche Menschen diese Reise ein Stück begleiten, vielleicht sogar ein paar Blumen mitbringen und ein paar Worte sprechen.

„ Hier bin ich, Herr, du hast mich gerufen.“ Gerufen zur letzten und größten Reise des Lebens und zu diesem bedeutsamen Ehrenamt gleichermaßen, denn nicht jeder ist dafür berufen Menschen in ihrem letzten Abschnitt auf Erden zu begleiten. Dazu gehört viel Einfühlungsvermögen, eine stabile psychische Verfassung und tiefes Mitgefühl. Gleichzeitig muss man mit Trauer, Leid, Tränen und den eigenen Emotionen umgehen können und da sein, wenn man gebraucht wird. Welche Bedeutung dieses Ehrenamt hat, begreift man sehr schön, wenn man bedenkt, dass jede um einen Menschen ehrlich und nicht im Zorn geweinte Träne das Herz des Herrn berührt und er ihn umso herzlicher bei sich in Empfang nimmt, je berührter er ist...

In diesem Sinne wünsche ich euch noch einen besinnlichen zweiten Advent und vielleicht erinnert sich der ein oder andere heute an einen lieben Menschen, der nicht mehr hier unter uns weilt und schickt einen kleinen Gruß an ihn in den Himmel...

Euer nachdenklicher Opa Whoopi

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